Thema:   Re: Widerspruch zu Sauer-Nachruf
Datum:   Montag, 20. Maerz 2006 13:49
Absender:   Johannes Stark wbg@gmx.net
Abi-Jahrgang:   1973
 
  Lieber Luk!

Die Überschrift Deines Beitrags hat mich etwas schockiert wegen der daraus anklingenden Provokation. Aber Du hast Deine alte Streitlust und -fähigkeit nicht verloren, wie ich auch bei unserem letzten Zusammentreffen beim großen Schulfest im Oktober 2003 erlebt habe.

Aber ich räume ein, daß ich heute, nach längerer Pause, beim intensiven Schlendern durch unser LSH-Portal auch über diese Sentenz im Nachruf auf den hoch verdienten Herrn Sauer gestolpert bin. Ich war damals doch deutlich ein konservativer Exponent unter den Schülern. Aber s o habe selbst ich es nicht erlebt.

Auch ich habe in jener Zeit einen Qualitäts- und Kulturverlust am LSH wahrgenommen. Für mich hat das begonnen mit dem Ende der Tätigkeit von Dr. Morawetz als Gesamt- und Dr. Jäger als Heimleiter. Beide begnadete Pädagogen, beide nicht immer einfach. Das Lehrer- und Erzieherkollegium hat das damals wohl auch mit etwas Erleichterung aufgenommen, die Schüler und Eltern sicher nicht, wozu sich letztere besonders gegen Umstand und Begleiterscheinung des Weggangs von "Moritz" auch lauthals, wenngleich erfolglos eingesetzt haben (mein Vater war damals "auf 180" und hat ernsthaft einen Schulwechsel für mich erwogen).

In Verbindung mit dem im selben Zeitraum regelrecht zusammenbrechenden Interesse des Trägers und Dienstherrn Freistaat Bayern an der Internatserziehung habe ich dann in den folgenden Jahren eine intellektuell deutlich kraftlosere Zeit in der Führung von Schule und Heim wahrgenommen, die geistig und organisatorisch die Zügel recht schleifen ließ, so daß das LSH mehr oder weniger vor sich hin trieb. Das eine derartige Führung nicht in der Lage war, mit dem vergleichsweise bescheidenen Aufbegehren am LSH fertig zu werden, überrascht mich im nachhinein nicht mehr. Es waren dann gerade obrigkeitliche Versuche zur Wiederherstellung von Sekundärtugenden, die das bescheidene Chaos am LSH noch verstärkten. Wer jetzt daran weinerlich herumnörgelt, weiß wohl bis heute noch nicht, wie es an vielen anderen Schulen zuging. Vor den echten Problemen, ich zähle hierzu etwa einen schnell einsetzenden beachtlichen Drogen- und Alkoholkonsum bereits ab der Mittelstufe, hat man dagegen entweder die Augen verschlossen oder - wahrscheinlicher - man war nicht in der Lage sie überhaupt zu sehen.

Es blieb dann Herrn Sauer vorbehalten, im LSH eine pädagogische Gesamtlinie wiederherzustellen, die dieser besonderen Schule (und dazu gehört für mich immer das Internat) angemessen war.

Daß das LSH vorher durch eine Phase der Beliebigkeit und des Mittelmaßes marschierte, darf vielleicht ein Schüler dem einen oder anderen beteiligten Lehrer/Erzieher vorwerfen - umgekehrt geht das aber nicht. Das LSH ist quer durch seine Zeit eine gute, eine besondere Schule. Ihrem Geist entspricht es nicht, Fehl- und Rückschläge von den handelnden auf die behandelten Personen abzuschieben.

Licht und Schatten auch solcher Zeiten liegen eng beisammen. Es gibt aus dieser Zeit den einen oder anderen Angehörigen des Lehrer- und Erzieherkollegiums, bei dem bekomme ich heute noch Sodbrennen. Das sollte aber auch bei einer solch emotionalen Erinnerung nicht den Blick dafür verstellen, daß die meisten dieser Lehrer und Erzieher, die deutliche und starke Mehrheit, die Befindlichkeiten der damaligen Schüler ganz gut verstanden haben, diese, besonders die damals die Gesamtschule prägenden Internen, in altmarquartsteiner Haltung und Zuneigung in den Turbulenzen begleitet haben und vom Referendar bis zum Gymnasialprofessor (das ist heute in etwa der Studiendirektor A 15) oft mit den Schülern unter solchen Erscheinungen gelitten haben.

Lieber Luk, mein alter Freund, ich bin sicher, wir beide treffen uns mit unseren jahrelangen Mitschülern und Freunden und den alten Lehrern bald wieder in Marquartstein. Wir alle gehören als Marquartsteiner zusammen, auch wenn in ungeschickten (aber ehrlichen?!) Äußerungen der Eindruck entstehen könnte, manchmal hätte der eine oder andere Lehrer am liebsten diese Schüler vom Hals gehabt. Aber das haben wir schon damals gemerkt - und konnten noch darüber lachen...


Dein Johannes, der Schwießi